So beurteilt Trainer Thomas Cordes die bisherige Saison des TV Oyten


Herr Cordes, nach 13 von 24
Saisonspielen stehen sie mit den Drittliga-Handballerinnen des TV Oyten
mit 4:22 Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz. Weil die Liga, die
derzeit aus vier Staffeln besteht, von 48 auf 36 Teams reduziert wird,
kommt es zu einer erhöhten Anzahl an Absteigern. Ihr Team wird es sehr
wahrscheinlich erwischen. War es dennoch die richtige Entscheidung, das
Aufstiegsrecht in die 3. Liga wahrzunehmen?


Thomas Cordes: Ja, auf jeden Fall. Ich
denke, dass der Mehrwert am Ende der Saison für alle Beteiligten
überwiegt. Wenn man dann in die neue Regionalliga geht, macht das auch
im Gesamtkonstrukt des Vereins Sinn. Mit der zweiten Mannschaft in der
Oberliga ist das eine sehr gute Kombination und gute Ausgangssituation
für die folgende Saison.


Und wie beurteilen Sie die sportliche Situation ihrer Mannschaft?


Die Erfahrungen, die wir in dieser Saison
sammeln, nimmt uns niemand mehr. Neulich hat mich
ein Trainerkollege gefragt, wie es denn so bei uns läuft. Ich habe ihm
gesagt: Wir sind mit vier Punkten Vorletzter. Er meinte daraufhin, das
wäre doch okay. Denn es habe sicher Leute gegeben, die uns nicht einen
Punkt zugetraut hätten. Jetzt könnte ich es mir einfach machen und
sagen: Wir haben schon mal vier Punkte und haben in dem einen oder
anderen Spiel an weiteren Erfolgen geschnuppert. Aber rein von der
sportlichen Ebene ist ja auch das eingetreten, was wir auch erwartet
haben.


Aber Sie hätten doch sicher gerne mehr Punkte auf dem Konto? Gerade weil auch knappe Niederlagen dabei waren.


Natürlich, klar. Das ist dann auch irgendwie
das Gute im Schlechten. Wir haben festgestellt, dass einige Gegner mit
uns auf Augenhöhe unterwegs sind. In diesen Spielen haben Nuancen
gefehlt. Aber ich bin nach wie vor aufgeräumt. Wir brauchen auch diese
Erfahrungswerte, damit man in Zukunft diese knappen Spiele für sich
entscheidet. Ich trauere aber keinem Punkt hinterher. Das wäre auch der
falsche Ansatz. Viel mehr sehe ich es positiv, dass die Möglichkeit
bestand, diese Punkte holen zu können. Das zeigt, dass wir in Oyten
nicht so auf dem falschen Weg sind. Man darf auch nicht verkennen, dass
wir mit einer jungen Mannschaft angetreten sind, in der nur wenige
Spielerinnen zuvor Drittliga-Erfahrung gemacht haben. Zudem standen
viele Spielerinnen vorher nicht in diesem Fokus, spielen jetzt aber wie
selbstverständlich 3. Liga.


Sie haben im Laufe der Saison schon
häufig hervorgehoben, dass die Entwicklung im Vordergrund steht. Welche
Spielerin hat in den vergangenen Monaten den größten Sprung gemacht?


Das ist differenziert zu betrachten. Was auch
ein Merkmal der Hinrunde war: Wir hatten viele Verletzte. Hinten raus
sprechen wir über fünf, sechs Verletzungen. Das ist nicht nur für die
Mannschaft ärgerlich, sondern auch für die einzelne Spielerin. Nehmen
wir als Beispiel Lisa-Marie Gerling. Sie hat auf Linksaußen eine sehr,
sehr positive Entwicklung genommen. Sie scheidet dann mit einem
Bänderriss an einem Punkt aus, der extrem schade ist. Denn sie gehört zu
den Spielerinnen, die sich voll reinbeißen und eben eine tolle
Entwicklung genommen haben. Das gilt auch für Larissa Gärdes, die viele
gute Spiele im Tor gemacht hat. Sie ist eine gewisse Konstante, die wir
haben und uns hilft. In der jüngeren Vergangenheit hat auch Jasmin
Johannesmann im Angriff gute Spiele gemacht. Es gibt eine ganze Reihe
bei den Mädels, die individuell Schritte nach vorne gemacht haben. Das
Problem bei uns ist eher, dass wir unsere Leistung auf der Platte nicht
über 60 Minuten kompensiert bekommen. Das mache ich aber auch daran
fest, dass uns hin und wieder die Alternativen fehlen. Und somit kommt
man wieder zu dem Thema, dass wir oft eine Handvoll Verletzte vor uns
hergeschoben haben. Das lichtet sich Ende Januar hoffentlich. Die
Tendenzen sind sehr positiv, dass wir bald wieder breiter aufgestellt
sind. Uns zeichnet ja auch aus, dass wir nicht die eine Toptorjägerin
haben.


Aber eine Spielerin wie Pia Franke, die
vor ihrem Abgang nach der vergangenen Saison etliche Tore für den TVO
erzielt hat, hätten Sie schon gerne in Ihren Reihen und würde dem Team
auch gut zu Gesicht stehen?


Das Wort vermissen wäre bei diesem Thema wohl
zu groß. Mein Auftrag ist es, die Spielerinnen, die da sind, zu
entwickeln. Das tun sie am Ende des Tages über Spielzeiten. Dass wir
jetzt in solch einer Liga die Situation haben, in der Fehler doppelt
bestraft werden, das ist so. Das Los haben wir. Ich kann das schon gut
einordnen. Daher trauere ich auch niemandem hinterher oder bin nicht
traurig, dass wir die eine oder andere Spielerin nicht haben. Wir haben
eine Truppe, in der alle Bock haben. Und es ist ja auch mit einem
Fragezeichen versehen, ob wir in der Tabelle besser dastehen würden,
wenn wir die eine Spielerin hätten, die jedes Mal zehn Tore wirft.


Fakt ist aber: Es wurde oft verloren.
Wie oft musste das Trainerteam schon den Seelsorger spielen oder hat
sich das in Grenzen gehalten?


In dieser Hinsicht bin ich froh über meine
Erfahrung, die ich mit der männlichen A-Jugend des TV Oyten in der
Bundesliga gemacht habe. Vom Prinzip war es da ähnlich – wir waren in
gefühlt jedem Spiel der Außenseiter und hatten nirgends etwas zu
verlieren. Auch damals gab es zum Teil sehr deutliche Niederlagen. Von
daher gehe ich auch jetzt realistisch an die Sache heran und versuche,
das zu verkörpern. Das merken die Mädels natürlich auch. Es gab auch mal
Spiele, über die man am Montag darauf einen Moment länger sprechen
muss. Aber alles in allem – und das zeigt auch die Stabilität dieser
Mannschaft – kommen alle gerne zum Training und die Stimmung ist gut.
Das zeigt, dass viele Dinge gut laufen und man die Mädels nach einer
Niederlage gut aufbauen kann.


Nicht nur die Spielerinnen verlieren
ungern, sondern Sie als Trainer sicher auch nicht. Wie gehen Sie damit
um, dass der Großteil der Partien verloren wird?


Ich sehe gar nicht so die Einzelergebnisse.
Natürlich fahre ich nach einem Spiel wie jetzt beim VfL Oldenburg II, wo
die zweite Halbzeit wirklich nicht gut war, nicht freudestrahlend nach
Hause. Da ärgere ich mich am Abend und vielleicht noch am anderen Tag
ebenfalls. Auch das muss man aber einordnen: Wenn ich vor der Saison
gesagt hätte, dass wir Fünfter werden wollen, wäre das nicht realistisch
gewesen. Für mich sind die kleinen Entwicklungen die Dinge, an denen
ich mich selbst messe. Von daher spielen die Niederlagen für mich nur
sekundär eine Rolle. Es muss darum gehen, dass die Dinge eintreffen, die
man sich vornimmt. Und das sehe ich nach wie vor. Wir müssen aber
dennoch kritisch bleiben und schauen, ist alles richtig, was wir machen.
Das macht diese Aufgabe ja auch so spannend und ich habe mich daher
ganz bewusst dafür entschieden, mal den eigenen Komfortbereich zu
verlassen – und ich bin damit weiterhin glücklich.


Sie sprechen Ihre Komfortzone an. Bisher
haben Sie überwiegend in der Jugend trainiert, nun aber erstmals ein
Frauenteam. Wie groß sind die Unterschiede?


Einfach gesagt: Handball ist erst einmal
Handball. Natürlich sind die Körperlichkeit und das körperbetonte Spiel
bei den Frauen anders als bei den Männern. Das kann man bei uns an den
Doppelspieltagen gut sehen, wenn zuerst wir dran sind und anschließend
unsere Oberliga-Männer. Dann ist da aber auch das Drumherum. Wenn mir
jetzt eine Spielerin sagt, dass sie aufgrund von Schichtdienst nicht
trainieren kann, habe ich solche Situationen im Jugendbereich weniger.
Ich bilde auch jetzt eher individuell und in Kleingruppen aus und mache
nicht übertrieben viel Spieltaktik. Auch das ist eine gewisse
Ähnlichkeit zum Jugendbereich. Ganz so viel unterscheiden sich die
beiden Bereiche nicht. Wenn man über konkrete Unterschiede spricht, geht
es für mich in den Bereich, der mit Handball weniger zu tun hat. Wir
reden über erwachsene Menschen, bei denen es mal nicht so laufen kann,
weil man durch andere Dinge – zum Beispiel wegen des Berufs – belastet
ist. Ich kann für mich sagen, dass der handballerische Unterschied im
Körperlichen liegt. Bei den Frauen beruht der Erfolg mehr auf
Schnelligkeit und Technik, während bei der männlichen Jugend die
individuelle Körperlichkeit auch mal das eine oder andere Tor mehr
ausmachen kann.


Inwiefern mussten Sie Ihre Arbeit als Trainer umstellen?


Das habe ich tatsächlich nicht getan. Ich
arbeite vom Prinzip her wie immer. Viele Elemente, die ich im Jugend-
oder Herren-Handball anwenden würde, wende ich jetzt auch an.


Elf Spiele stehen noch an. Was nehmen Sie sich für den Rest der Saison vor?


Bei uns trifft es ganz gut zu, dass wir von
Spiel zu Spiel denken. Es geht natürlich darum, dass wir eine gute
Rückrunde spielen wollen. Gegen die Mannschaften, mit denen wir auf
Augenhöhe waren, wollen wir auch das zweite Spiel auf Augenhöhe führen.
Es ist sicher auch so, dass wir gerne den einen oder anderen Punkt mehr
holen wollen. Wir tun aber gut daran, wenn wir jetzt unsere
Verletztensituation aufarbeiten und möglichst gut unsere elf Spiele
absolvieren. Aktuell ist es müßig, darüber zu sprechen, ob das am
Saisonende noch für irgendwas reichen kann.


Also schwirrt das Erreichen des Klassenerhalts nicht mehr im Hinterkopf umher?


Das ist für mich überhaupt kein vorrangiges
Thema. Solange wir nicht in dem Bereich sind, dass irgendwas möglich
ist, mache ich mich nicht verrückt. Es muss darum gehen, dass wir
unseren Weg weitergehen. Ich habe die Mannschaft erst ein halbes Jahr.
Da ist es nachvollziehbar, dass ich auch noch im Lernprozess stecke.
Wichtig ist, dass wir das Ganze weiter mit hoher Motivation betreiben
und uns kleinere Ziele für das jeweilige Spiel vornehmen. Wie gesagt:
Wir gucken am Ende der Saison, was dabei herauskommt.


Der Deutsche Handballbund reduziert wie
anfangs erwähnt zur neuen Saison die Anzahl der Teams, die in der 3.
Liga antreten ein weiteres Mal. Wird es für kleine Vereine wie den TV
Oyten in der Zukunft überhaupt noch möglich sein, sich in der Klasse
dauerhaft zu etablieren?


Es wird mit Sicherheit schwieriger,
perspektivisch so eine Liga zu halten. Dass mein Team aktuell diese Liga
bespielt, ist gut und wichtig für unsere ganze Handballregion. Wir
haben aber auch kein großes Budget und können keine Stars einkaufen. Wir
arbeiten mit regionalen Talenten, was auch gut ist. Das muss für einen
Verein, wie wir einer sind, auch das Ziel bleiben. In einer dritten Liga
mit drei Staffeln bestehen zu können, wird nicht so einfach sein. Auch
Trainerkollegen, die mit ihren Mannschaften in der 3. Liga einen Platz
haben werden, wissen nicht, ob das alles so gut ist. Es stehen dann
unter anderem enorme Fahrtwege an und man muss im Grunde vier- bis
fünfmal die Woche trainieren. Überwiegend sind es aber Spielerinnen, die
das alles neben ihrem Beruf betreiben. Ich bin mir sicher: Es wird sich
die berühmte Spreu vom Weizen trennen. Da werden nur die Vereine übrig
bleiben, die dieses Halb-Profitum betreiben können und möchten. Daher
bin ich auch da aufgeräumt: Sollte es für uns nächste Saison in die neue
Regionalliga gehen, ist das vollkommen okay.


Das Interview führte Florian Cordes.


ZUR PERSON


Thomas Cordes (39)


ist Trainer der Drittliga-Handballerinnen des
TV Oyten. Übernommen hat er das Team vor der laufenden Saison und
beendete damit eine mehrjährige Pause als Vereinstrainer. Vor seinem
Engagement bei Oytens Drittliga-Frauen führte er die männliche A-Jugend
des TVO gleich zweimal in die Jugend-Bundesliga.




Quelle: Achimer Kurier – Autor: Florian Cordes